Klimaschutz wird karrierebestimmend

Das Ziel ist klar definiert: Klimaneutralität bis 2050. Und bereits bis 2030 sind konkrete Ergebnisse zu liefern. So hat die EU- Kommission im September 2020 die Ziele für 2030 bestimmt und für den Gebäudebereich im Rahmen der EU Renovation Wave im Oktober weiter konkretisiert und mit Maßnahmenansätzen – Ausbau der Förderung plus Straffung des Ordnungsrahmens und der Anforderungen an Gebäude – hinterlegt.

Für Unternehmen hat das Konsequenzen. Und auch für UnternehmenslenkerInnen. Dr. Roman Wecker (RW), Consultant bei
Heidrick & Struggles und verantwortlich für die deutsche Sustainability Practice, und Dr. Martin Handschuh (MH), Gründer und Geschäftsführer von eco2nomy GmbH, sprechen dazu, wie sich Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf Managerkarrieren auswirkt. Und das mit einem besonderen Fokus auf energiebezogene Fragestellungen in der Immobilienwirtschaft.

Der Handlungsdruck steigt

RW: In unserer Tagespraxis sehen wir es immer wieder: Nachhaltigkeit wird karrierebestimmend. Offensichtlich bieten sich vielfältige Karrieremöglichkeiten im Umfeld von Nachhaltigkeitsmanagement, Energiemanagement, Erneuerbaren Energien, etc. Das alleine ist es aber nicht, was augenblicklich von Relevanz ist. Vielmehr ist es jede einzelne Führungsposition, bei der Nachhaltigkeit Einzug hält und relevant wird.

MH: Gerade in der Immobilienwirtschaft steigt der Handlungsdruck. Die politischen Erwartungen sind hoch. Und der Kapitalmarkt ist im Begriff, Nachhaltigkeit immer ernster zu nehmen. Larry Fink, CEO von BlackRock, stellte deshalb im Januar 2020 in seinem CEO-Brief folgendes dar: „ESG- (Environment, Social, Governance) Analysen werden zum Herzstück unserer Risikoplattform.“ Dies ist mittlerweile an zahlreichen Stellen in Umsetzung. Nicht-Handeln oder zu spätes Handeln birgt auf Unternehmensebene Risiken: Mögliche ordnungsrechtliche Interventionen und Einschränkungen bzw. Verbot der Vermietbarkeit wenig energieeffizienter Gebäude, potentielle Reduktion von Mieterlösen, Markt- und Beleihungswerten von wenig energieeffizienten Immobilien, ungünstigere/ eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten, „geballte“ Investitionsbedarfe mit ggf. höheren Kosten bei verspätetem Handeln, …

Jede Führungskraft wird früher oder später mit den Fragen konfrontiert: „Wie halten Sie´s mit der Nachhaltigkeit? Und was haben Sie konkret an greifbaren Ergebnissen vorzuweisen?“

RW: Und hinzu kommen persönliche Karriereimplikationen. Bei immer mehr Neubesetzungen von Führungspositionen und auch bei Vertragsverlängerungen lauten Fragen der Aufsichtsräte und Besetzungskommissionen:

  • Wie halten Sie´s mit der Nachhaltigkeit?
  • Was haben Sie konkret an greifbaren Ergebnissen bzgl. Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorzuweisen?
  • Und was gedenken Sie, in den nächsten Jahren diesbezüglich zu tun?

Und diese Fragen kommen auch dann, wenn sich der Aufsichtsrat bislang nicht sonderlich intensiv um Nachhaltigkeit gekümmert hat.

Transparenz, ein guter Langfristplan und greifbare Erfolge sind relevant.

MH: Was zählt gerade in der Immobilienwirtschaft? Drei Punkte sind relevant.
Erstens: Transparenz und Auskunftsfähigkeit zum Zustand des Portfolios. Wer nicht gut beantworten kann, wie es beispielsweise um Energieverbräuche und Emissionen im Portfolio steht, welche Gebäude besonders hohe Emissionen haben etc., hat seinen/ ihren Job nicht gut gemacht.
Zweitens: Der Plan hin zur vollständigen Dekarbonisierung bis 2050. Gerade im kommunalen Umfeld stellt sich aktuell häufig die Frage, wie Städte, Kommunen etc. hin zur Klimaneutralität geführt werden können? Dazu braucht es Antworten und ebenso dazu, wie das wirtschaftlich und sozialverträglich funktionieren kann.
Und Drittens: Offensichtlich greifbare Ergebnisse jenseits von Power Point und EXCEL. Dafür bieten sich die Maßnahmen an, die sich besonders gut rechnen und schnell Erfolge bringen. Das können je nach Gebäudesituation beispielsweise Energiemonitoring und -management, der Tausch alter, ineffizienter Heizungsanlagen oder der Einsatz von Photovoltaik sein. So können greifbare Verbesserungen realisiert werden. Schnell und oftmals – dank Förderung – mit vergleichsweise geringem finanziellem Einsatz.

Aktives, vorausschauendes Handeln bringt Vorteile.

RW: Und eines ist wichtig hinzuzufügen: Es geht nicht nur um die Vermeidung von Karriererisiken. Es lohnt sich die sich bietenden Chancen im Blick zu behalten und diese zielgerichtet zu nutzen. Frühzeitiges, aktives Handeln macht sich in Bezug auf die Wahrnehmung von Unternehmen und von ManagerInnen in starkem Maße bezahlt und bringt Vorteile in vielfältigen Dimensionen:

  • Mit wem arbeiten gute MitarbeiterInnen besonders gern zusammen?
  • Wer ist für Geschäftspartner besonders attraktiv?
  • Wer bekommt gute Presse?

Und so weiter. In aller Regel sind das die ManagerInnen, die wirklich Großes und Gutes schaffen. Und das, was zählt, geht dabei über reinen Klimaschutz und erneuerbare Energien hinaus und ist als ganzheitliche Nachhaltigkeitsausrichtung zu verstehen. Elemente sind unter anderem:

  • Nachhaltiges Arbeiten mit Substanz und mit einem Ressourceneinsatz, der es den jeweils nachfolgenden Generationen ermöglicht, mit demselben Handlungsspielraum und demselben Bestand an ökologischen Ressourcen zu agieren, wie die jeweils vorausgegangene Generation
  • Aktives Kümmern um das Wohlergehen des mittelbaren und unmittelbaren Umfelds
  • Berücksichtigung nicht nur ökologischer, sondern insbesondere auch umfassender sozialer und sozioökonomischer Aspekte
  • Nachhaltiges Management aller Stakeholder in bewusster Abgrenzung zum reinen Shareholder Management Ansatz, der nur auf eine Interessensgruppe abzielt

Erfolg macht erfolgreich.

MH: Dabei kommt es auf die Haltung, die Einstellung, neudeutsch den „Mindset“ an. Zusätzlich sind Authentizität, Konsistenz und die Dreieinigkeit von Denken, Handeln und Tun wichtig. Wer A predigt und B tut, der wird schnell entlarvt. Und dem folgt man nicht. Wer voller Überzeugung, nachvollziehbar und geradlinig agiert, der schafft es zu motivieren und zu mobilisieren.

RW: Und wer das gut hinbekommt, kann eine positive Systemdynamik entfachen. Dann führen erste Erfolge schnell zu immer mehr Erfolgen. Und dann beflügelt konsequentes und ganzheitliches Handeln in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz die Karriere.

MH: Und genau das wünschen wir allen Lesern und Leserinnen dieses Interviews.